Auf einer Veranstaltung zur Geschichte der nicht-kommerziellen Filmszene in Deutschland seit 1945 wurde ich um eine Einschätzung gebeten, wie sich in Zeiten von Web 2.0 und Videoplattformen dieser Film weiterentwickeln wird. Meine dort abgegebene Prognose werde ich jetzt hier mal für spätere Generationen festhalten. Mir könnten in 10 Jahren ja eventuell prophetische Qualitäten nachgesagt werden – oder ich muss Spott und Hohn ertragen lernen;-))
Ich sage mal, dass im Privatbereich das gemeinsame Arbeiten an Filmen an Bedeutung gewinnen wird. Und damit meine ich nicht, dass man sich mit Schulfreunden zusammen hinsetzt, verschiedene Drogen konsumiert und dann wilde Theorien in die Videokamera reinfaselt, sondern weltweit und vernetzt direkt im Web Filmdrehs organisiert, Szenen rumschickt und diese dann in einer Websoftware gemeinsam bearbeitet und schneidet.
Einige Beispiel gibt es bereits:
„The Hunt for Gollum“ – ein 40minütiger unabhängiger Film gemacht von Fans vom Herrn der Ringe, die rund um den Globus vestreut verschiedene Beiträge zum Film beigesteuert haben. Der Film kann im Netz kostenlos in HD-Qualität und mit deutschen Untertiteln angesehen werden und ist wirklich erstaunlich in seiner Qualität.
Bei der Produktion des Internetzombiemovie waren die Youtube-NutzerInnen aufgerufen, Filme beizusteuern. Das Endprodukt konnte hier allerdings nicht beeinfluss werden.
Ähnlich beim Musikvideo für Sour’s ‚Hibi no Neiro‘ (Tone of everyday), das derzeit durch die Blogs zirkuliert und an dem Fans aus der ganzen Welt mitgearbeitet haben.
Remixing von Filmen würde ich da auch noch dazu zählen, vorausgesetzt, man bedient sich dabei CC-lizensierter Filmschnipsel anderer FilmemacherInnen.
Was nun noch fehlt, sind die ProgrammiererInnen, die dazu die entsprechende Software liefern. Ich denke da vor allem an eine Art Wiki für den kollaborativen Filmschnitt: Cutwiki? Wikicutter? Oder gibt es sowas auch schon?
17. Juli 2009 um 11:36
Danke für die Prognose.
Ich würde aber widersprechen: „Richtiges“ Filmemachen im Sinne von Kunstwerken (gerade auch nichtkommerziell) produzieren sollte und wird hoffentlich kein kollaboratives Produkt werden. So entsteht meiner Meinung nach keine Kunst.
Anders sieht es meiner Meinung nach für die Medienpädagogik aus. Dafür geben die hier genannten Projekte gute Anregungen, die Zusammenarbeit macht Spaß, es gibt witzige Produkte. Das Ziel ist aber von vornherein ein anderes.
Sehr gut finde ich den Elektrischen Reporter zum Thema: http://www.elektrischer-reporter.de/elr/video/102/
18. Juli 2009 um 14:16
Hallo Eike,
danke für den Hinweis zum Elektrischen Report. Das ist tatsächlich vollständig an mir vorbeigegangen. Dann ergänze ich hier mal als Link noch: http://www.wreckamovie.com/ – collaborative filmmaking.
Über kollaborative Kunst kann man sicher länger streiten. Wobei es ja auch schon einige Beispiele von herausragenden Künstlergruppen gibt. Ich denke, Einzelpersonen in den Vordergrund zu stellen hat wohl ähnlich wie im Musikbusiness vorwiegend markttechnische Gründe. Warum sollte eine Gruppe weniger kreativ als ein einzelner/eine einzelne sein?